Klassisches Naikan ist eine Woche des Rückzugs in die Stille und der Selbstreflexion.
Methodisches Werkzeug sind die 3 Naikan-Fragen:
1. Naikan-Frage: Was hat [Person X] für mich gemacht?
2. Naikan-Frage: Was habe ich für [Person X] gemacht?
3. Naikan-Frage: Welche Schwierigkeiten habe ich [Person X] bereitet?
Beim Naikan Retreat untersuchen Sie Ihre gesamte Lebensgeschichte in Bezug auf die grundlegenden Beziehungen in Ihrem Leben. Neben den Eltern sind das andere Personen aus Ihrer Herkunftsfamilie, wie Geschwister oder Großeltern, aber auch aktuelle Bezugspersonen, wie Partner, eigene Kinder oder Personen aus dem beruflichen Umfeld. Sie bringen also Ordnung in Ihr Innenleben in Ordnung, umfassend und tief gehend. Eine Naikan Woche wird daher gern als innerer „Frühjahrsputz“ bezeichnet.
Naikan beginnt mit der Mutter
Ihr Leben begann, weil Ihre Mutter Sie geboren hat. Deshalb ist die erste Person, der gegenüber Sie sich im Naikan-Retreat prüfen, üblicherweise die Mutter. Wenn Sie nicht bei Ihrer leiblichen Mutter aufgewachsen sind, dann betrachten Sie jene Person, die die Mutterrolle übernommen hat. Nachdem Sie Ihre Lebensgeschichte in der Beziehung zu Ihrer Mutter geprüft haben, prüfen Sie sich in der Regel gegenüber Ihrem Vater.
Die Eltern sind jene Menschen, die Ihnen das Leben geschenkt haben. Mutter und Vater haben vieles richtig gemacht und sie haben viele Fehler gemacht. Im Naikan können Sie das Bild, das Sie von Ihren Eltern haben, genau unter die Lupe nehmen. Hält das Bild, das Sie von Mutter oder Vater haben, der Naikan-Prüfung stand? Oder sprechen die Tatsachen eine andere Sprache als Ihr bisheriges subjektiv gefärbtes Bild?
Erinnerungen, die besonders schön oder schmerzvoll waren, prägen sich dem Gedächtnis besonders ein. Aus diesen einprägsamen Erlebnissen bauen wir uns ein Bild von einer Person, zum Beispiel von Mutter und Vater. Unzählige andere Dinge verschwinden in den Tiefen des Gedächtnisses. Im Naikan holt man diese vergessenen Erinnerungen wieder hervor. Dadurch rücken die übermächtigen Erinnerungen an einen angemessenen Platz und die vielen vermeintlich unwichtigen Erinnerungen zeichnen ein vollständigeres und wirklichkeitsnäheres Bild der Vergangenheit. Und vor allem kommt ins Bewusstsein, dass man ein subjektives Bild von Mutter oder Vater oder anderen Personen geschaffen hat, das nicht unbedingt der Realität entspricht.
Vom Was zum Wie
Am Anfang der Naikan-Übung denkt man, dass es in erster Linie um die die Inhalte geht. Was habe ich mit der Mutter (oder einer anderen Person) erlebt? Die Erinnerungen und Geschichten scheinen wichtig zu sein.
Irgendwann stellt man fest: Es geht gar nicht so sehr um die Erinnerungen und Geschichten. Das Entscheidende ist nicht, woran man sich erinnert, sondern wie man sich erinnert, wie man sich den Erinnerungen stellt, wie man das Erlebte einordnet. Die Naikan-Frage ist nicht: Was habe ich erlebt? Die Naikan-Fragen lauten: Was hat X für mich gemacht? Was habe ich für X gemacht? Welche Schwierigkeiten habe ich X bereitet? Durch die Naikan-Übung verschiebt sich der Fokus vom Was zum Wie des Erinnerns.
Naikan lehrt, dass es wichtig ist, wie man das Erlebte einordnet und verarbeitet. Die Frage, was man mit der Mutter (oder einer anderen Person) erlebt hat, also die Erinnerungen an sich, stehen nicht mehr im Mittelpunkt, sondern sie werden Hilfsmittel für das Erkennen. Außerdem filtert man mit der Naikan-Betrachtung die Tatsachen aus den Erinnerungen und baut keinerlei Geschichten oder Erklärungen darum herum.
Vom Bearbeiten zum Wahrnehmen
Natürlich kommen viele Menschen deshalb zum Naikan, weil sie etwas bewältigen wollen, das in der Vergangenheit geschehen ist, oder weil sie ein Thema bearbeiten, ein Problem lösen wollen. Dabei ist Naikan sehr hilfreich - teilweise durch das Bearbeiten mit den Naikan Fragen, aber mehr noch durch das Still-werden. Wenn im Innenleben Ruhe einkehrt, dann genügt es, einfach da zu sein und die Fülle des Seins wahrzunehmen. Neue Blickwinkel werden nicht mehr erarbeitet, sondern sie tauchen einfach auf.
Es gibt bei der Naikan-Praxis Aha-Erlebnisse, Einsichten, von denen man überwältigt und tief berührt wird. Die Übung geht weiter, und es kommt immer anders als erwartet. Schließlich wird Naikan unspektakulär, denn innere Ruhe wird mehr und mehr zur Normalität.
Übung macht den Meister – immer noch
Bei körperlichen Fähigkeiten wie zum Beispiel im Sport stellt niemand in Frage, dass es tägliches Training braucht, um sich zu verbessern und gute Leistungen bringen zu können. Sobald es um innere Qualitäten und Fähigkeiten geht, soll es komischerweise ganz schnell gehen – am besten in einer Beratungsstunde, einem Seminarwochenende, einem Kurzworkshop. Schnell und effektiv, so soll’s sein mit dem Erwerb von Social Skills, Kommunikationsfähigkeiten, innerer Balance und Glück.
Was im Sport offensichtlich ist, das gilt auch für das Innenleben: Es braucht regelmäßiges Training. Neue Erkenntnisse oder Fertigkeiten müssen in Fleisch und Blut übergehen, damit sie in jeder Situation des Alltags abrufbar sind. Es stimmt schon, eine neue Sichtweise oder das theoretische Wissen um ein anderes Verhalten kann man schnell erwerben. Doch die Umsetzung der Theorie in die Praxis braucht Übung.
Eine Naikan-Übende vergleicht Naikan mit dem Tennisspielen und meint, eine Naikan-Woche ist wie ein Tenniscamp, in dem man intensiv trainiert und neue Fertigkeiten entwickelt. Doch wenn man nach dem Camp nicht weiter Tennisspielen übt, dann verlieren sich die Fertigkeiten wieder. Wenn man nachhaltige Wirkung erreichen will, dann braucht man eben Übung.
Wenn Sie noch nie Naikan geübt haben, dann beginnen Sie mit der Innenschau gegenüber Ihrer Mutter, danach Vater, weitere Personen aus der Herkunftsfamilie (Geschwister, Großeltern etc.) sowie aus Ihrer aktuellen Familie (Partner, eigene Kinder etc.) folgen.
In der 1. Naikan-Woche betrachten Sie:
Beim Naikan bringen Sie Ihre Lebensgeschichte in Ordnung – Sie machen gründlichen Hausputz in Ihrem Innenleben. Daher wird im Zusammenhang mit Naikan auch häufig von Versöhnung mit der Vergangenheit gesprochen. Eventuell arbeiten Sie mit Themen (nach Absprache). Der Schwerpunkt beim klassischen Naikan liegt jedoch klar auf der Innenschau gegenüber verschiedenen Personen.
Klassisches Naikan ist eine gute Methode, um immer wieder Hausputz im Innenleben zu machen. Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie noch ein Problem mit einer bestimmten Person mit sich schleppen oder ob alles in wunderbarer Ordnung ist. Es ist ein Vorteil, wenn Sie keine Probleme durch die Naikan-Übung lösen wollen, denn dann können Sie sich wirklich entspannen und der Blick wird frei auf das, was Sie gelebt haben.
Je weniger Themen oder Probleme Sie lösen wollen, desto reicher und faszinierender wird Ihre Innenschau sein. Sie können viel Kraft daraus schöpfen, wenn Sie Ihre Lebensgeschichte immer wieder durchgehen, mit wachsendem inneren Frieden. Es geht um das tiefe Akzeptieren dessen, was war und ist.
In jeder weiteren Naikan-Woche wählen Sie aus:
Neben dem klassischen Naikan können Sie auch andere Schwerpunkte in der Naikan Woche setzen - siehe Vertiefungs-Naikan.
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